Letterland: Erwin Kannes- Trost der Frauen

Ein Musical der anderen Art

Gestern besuchten eine gute Freundin und ich das Musical Letterland in der Neuköllner Oper in Berlin. Das Musical wurde vor 10 Jahren von dem Abschlussjahrgang der UdK aufgeführt. Anlässlich des 10jährigen Jubiläums veranstaltete der originale Cast ein Klassentreffen und ließ das Musical für 6 Shows noch einmal aufleben. Damals wie heute waren dabei: Lucy Scherer als Mell Flut, Jörn Linnenbröker als Tom Flut, Anne Hoth als Anna Reich, Helena Blöcker als Malu Reich, Benjamin Eberling als Erwin Kannes, Martin Schäffner als Kalle Bürger und Maria Kempken als Sandy Deutschmann. Unterstützt wurden die „alten Hasen“ von Katharina Beatrice Hierl als Kim Schnell, die im April dieses Jahres die UdK mit dem Diplom abgeschlossen hat, und von Kiara Brunken als Olli Konnopke. Sie wird ihr Studium an der UdK im Sommer dieses Jahres abschließen.

 

Handlung

Wir beide sind ziemlich unvoreingenommen in das Musical gegangen und wollten uns einfach mal überraschen lassen. Diese Überraschung ist mehr als gelungen. Letterland ist ein Musical, welches anders ist als alles was wir zuvor gesehen haben. Auf eine sehr überspitzte, charmante und lustige Art entführt die Handlung in den fiktiven Ort Letterland, wo alles perfekt scheint, aber wie in vielen realen kleinen Ortschaften trügt der Schein oftmals. So wirkt am Anfang alles wie die perfekte Kleinstadt Idylle, wo jeder die Nachbarschaft kennt, alle fröhlich und glücklich sind und jeder jeden mag. Jedoch zeigt schon der erste Blick hinter die Fassade der Eheleute und Eltern Mell und Tom Flut, dass die Ehe alles andere als glücklich ist. Beide fühlen sich von ihrem Partner missverstanden. Auch Malu ist mit ihrem Leben nicht zufrieden. Sie ist geschieden und allein erziehende Mutter einer Tochter, die mit ihren Idealen nichts anfangen kann. Dies bleibt vom verpönten Erwin Kannes nicht unbemerkt. Zwar entspricht er gar nicht den Idealen von Letterland, da er dick ist und auf Kosten des Staates lebt. Dies hindert ihn, aber nicht daran die ungesagten Wünsche der Frauen zu erfüllen. So bietet er in Form eines Briefes Malu und Mell seine Dienste an. Natürlich reagieren beide Frauen geschockt und empfinden es als Erniedrigung und Beleidigung einen solchen Brief von ihm zu erhalten. Damit sie ihrem Mann einen Streich spielen kann, trifft sich Mell allerdings trotzdem mit Erwin. Dabei stellte sich für Mell raus, dass Erwin gar nicht so eklig ist wie sie dachte und sie ihn sogar erotisch findet. Im Laufe der Handlung ergeht es nicht nur Mell so. Malu und Kim trifft das gleiche Schicksal, was allen dreien zu Beginn peinlich ist zu zugeben. Zudem nutzt Kim die zu scheitern drohende Ehe aus um in Tom alte Gefühle für sie aufleben zu lassen. Am Ende des Stückes sorgt kein geringer als Erwin für Ordnung in Letterland. Alle kommen unter falschen Voraussetzungen in seinen Partykeller. So erwartet Tom dort auf Kim zu treffen, trifft allerdings auf Mel, die eigentlich dachte Erwin zu treffen. Da es dort dunkel ist bemerken sie erst spät wer wirklich mit wem geschlafen hat und auch wer alles da ist. Denn die komplette Nachbarschaft war im Schutz der Dunkelheit im Partykeller versammelt mit dem wirklich Partner ihrer Träume. Dank Erwin und seinen Briefen.

Vorfreude auf dem Weg ins Theater

Die Charakter

Jeder der Darsteller verkörperte seine Rolle exzellent und es war ein Genuss zuzusehen und zu hören. Zudem sind alle Charakter so gestrickt, dass die man die meisnten Eigenschaften in sich selbst oder in Personen die man kennt findet. Dieses Musical verlangt von jedem Darsteller eine große stimmliche, tänzerische und schauspielerische Leistung ab, welches in den meisten groß Produktionen in diesem großen Umfang nicht der Fall ist. Aber auch diese „Hürde“ absolvierten alle ausgezeichnet. Zudem war es für den Zuschauer sehr schön und mitreisend, die Darsteller auch mal tanzen zu sehen. Denn z.B. die Rollen von Lucy Scherer wie „Glinda“ oder „Ich“ verlangen tänzerisch nicht gerade viel.

 

Was jedoch noch besonderes ist sind die Nachnamen der Rollen, so sagen diese schon einen Teil des Charakters aus. Besonderes bei den drei Damen Kim, Mell und Malu sowie bei Erwin.

 

Kim Schnell macht ihren Namen alle Ehre so tauchte sie schnell bei Tom auf um ihm eigentlich nur etwas zu sagen. Dabei bleibt es allerdings nicht, da sie ihm noch auf ihre Art Trost spendet bevor sie wieder schnell verschwindet. Ähnlich verläuft ihr Besuch bei Erwin ab.

 

Wie das Meer bei der Flut alles mit reißt und teilweise zerstört droht auch die Ehe zwischen Tom und Mell zu zerbrechen. Zudem wird Mell von ihren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen überflutet, die sie zunächst einmal zuordnen muss.

 

Malu Reich ist ein Bespiel für viele etwas wohlhabender Leute. Sie interessiert sich hauptsächlich für ihren guten Ruf worunter ihre Tochter leiden muss. Denn statt auf diese einzugehen und sie zu akzeptieren wie sie ist, ist es ihr wichtiger was die Leute über sie denken und versucht so ihre Tochter in eine Rolle zu zwängen, die sie nicht spielen will.

 

Was soll man mehr zu Erwin Kannes sagen außer: Er kann es. Obwohl er gar nicht in das typische Bild der Letterländer passt und daher von alle verspottet wird, erkennt er was all den anderen fehlt und vertreibt so deren Kummer. Zudem ist er der einzige der wirklich durchgängig in Letterland glücklich ist. Er muss sich nicht auf seinen Ruf achten oder zur Arbeit und über Ehe Probleme kann er sich auch nicht beklagen. Ab und an wenn er glaubt eine Frau könnte Interesse an ihm haben und er könne zum Zug kommen bietet er es ohne große Erwartungen an. Wenn sie aber nicht antworten sollte kränkt ihn dies auch nicht sonderlich, denn dafür ist sein Selbstbewusstsein viel zu groß.

 

Humorvolles Musical mit tieferem Kern

Durch Kleinigkeiten wird dieses Musical sehr witzig. So konnten sich selbst die Darsteller Lucy und Helena auf der Bühne vor Lachen nicht mehr einkriegten als Erwin die muslimische Putzfrau zum Besten gab. Lucy entschuldigte sich dafür direkt mehrmals, da es für Jörn nicht gerade leicht wurde wieder zurück zum eigentlichen Stück zu leiten.

 

Trotzdem verbirgt das Stück eine große Botschaft. Zum einen, dass das Aussehen oder der Berufsstand nichts über den Charakter eines Menschen aussagen und jeder genau wie Erwin der liebste und netteste Mensch sein kann. Zum anderen zeigt es, dass viele Eltern  vergessen sich Zeit für sich selbst als Paar zu nehmen und dadurch die Bedürfnisse des Partners unerfüllt bleiben bis sich notfalls anderweitig die Chance bietet diese zu erfüllen. Auch wenn dies in Form von Rache, Lügen oder Betrügen stattfinden muss. Die dritte Botschaft ist, dass es nicht immer drauf ankommt wie andere über einen denken solange die Person selber mit ihrem Leben glücklich ist. Wenn dies heißt, dass man einen anderen Kleidungsstyle befürwortet oder einfach nur ein paar Pfunde mehr auf den Hüften hat ist es egal solange es von einem selbst her raus kommt.

 

Wirklich alles genau wie vor 10 Jahren?

Auch wenn ich es mir vor 10 Jahren nicht angesehen habe, ist durch Bilder von damals klar, dass sich die Outfits fast komplett verändert haben. Zudem wird beim Hören der CD deutlich, dass bei dem Lied „Ich wollte nur tanzen“ das Wort „Schwanz“ in der heutigen Version nicht mehr von Lucy gesungen wird. Stattdessen macht sie dort eine Pause, was nicht weiter tragisch ist, da sich jeder Zuschauer denken kann worum es geht.

 

Resümee

Das Stück Letterland ist wirklich sehenswert und wer die Chance nicht nutzten konnte es sich anzusehen, hat eindeutig etwas verpasst. Bei den Liedern jagt ein Ohrwurm den anderen, so summe ich immer noch die Lieder vor mir her. 

Allerdings glaube ich nicht, dass dieses Stück in einem viel größeren Saal funktionieren würde. Denn gerade dieser kleine Rahmen in dem es stattfand trug dazu bei es zu etwas besonderem zu machen.

Desweitern war es echt schön zu sehen wie viel Freude die Darsteller während der gesamten Aufführung hatten. Es war förmlich spürbar, dass es ein Herzensprojekt von jedem war.

Es bleibt ein unvergesslicher Abend für uns und es ist wirklich schade, dass es nur 6mal aufgeführt wurde. Aber wer weiß was die Zukunft bringt und ob zum 15jährigen Jubiläum das Stück nicht noch einmal aufgeführt wird. Wir währen auf jeden Fall dabei

Stay Wicked

Eure Pia

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