John und Jen im TAMdrei 18.04.2018

 

John und Jen ist ein neues Musical von Andrew Lippa und Tom Greenwald, welches im TAMdrei in Bielefeld die deutschsprachige Erstaufführung feiern darf. John und Jen sind Geschwister, welche sich sehr nahe stehen. Denn familiäre Probleme lösen in Jen, der älteren Schwester, große Beschützer Instinkte aus. Obwohl so ein langsam frech werdendes „Anhängsel“ auch ganz schön nerven kann, wenn man sich selbst mit den Veränderungen der Pubertät auseinandersetzten muss. So nutzt Jen ihren Studienbeginn, um aus der familiären Enge nach New York zu fliehen. Die Jahre vergehen und die Geschwister sehen sich erst nach ihrem Abschluss wieder. Mit Schreck stellen sie fest, wie sehr sie sich auseinandergelebt haben und die verschiedenen Einflüsse sie geformt haben. Das Wiedersehen endet im Streit und eine Versöhnung ist nicht mehr möglich, denn John hat sich freiwillig zur Armee gemeldet und fällt im Vietnam.

Als Jen einige Zeit später eine Sohn bekommt, nennt sie ihn John. Sie schwört sich diesmal alles richtig zu machen und ihm die perfekte Mutter sein. Nur wird genau das zum Albtraum des langsam erwachsen werdenden Jungen.

Dieses emotionale Stück wird von Michaela Duhme (Jen) und Benedikt Ivo (John) gespielt. Es ist beeindruckend wie stark sich die Beiden in die Figuren einfügen und dabei die Zuschauer komplett mit in die Gefühlswelt von John und Jen nehmen.

 Michaela versprüht die verschiedensten Emotionen allein durch ihre sehr ausdrucksstarke Mimik. Zudem überzeugt sie mit der großen schauspielerischen Wandelbarkeit innerhalb eines Stückes. Ob es die beschützende und einfühlsame Schwester ist oder die Mutter, die mit am Ende ihrer Nerven ist - beide Facetten spielt sie grandios. Gesanglich war es besonders stark von ihr, als sie sich von ihrem Bruder „frei sang“.

Der kleine Bruder John bekommt von Benedikt einen sehr schüchternen und beobachtenden Schwerpunkt. Besonders die spätere Enttäuschung als Sohn von Jen als er realisieren muss, dass er für Jen ein „Ersatz“ ihres verstorbenen Bruders ist, spielt Benedikt durch Stimme und Mimik genial.

Beide harmonieren spielerisch und gesanglich perfekt. Hierbei ist es egal ob es sie direkt zusammenspielen, als Geschwister in Kindertagen bzw. Mutter und Sohn oder indirekt über die Kommunikation über Brief während Jens Zeit am College. Zu jedem Zeitpunkt spürt man die Chemie auf der Bühne.


Es ist eins der gefühlvollsten Musicals, die ich bislang sehen durfte. Nick Westbrock hat die Musicaldarsteller hier an ihre emotionalen Grenzen gehen lassen. Denn Beide blühen vollkommen in den Rollen auf und leben sie für diese 2h. Durch kleine Details wie das Spielen an den Schnürsenkeln aus Nervosität und Angst, lassen die Musik noch mehr zum Leben erwachen. Das gesamte Publikum war so gefesselt von dem Gesehenen und Gehörtem, dass sich zunächst keiner getraut hat nach der 1. Hälfte zu applaudieren. Ich persönlich finde es etwas schade, dass in diesem doch recht kurzen Stück eine Pause gesetzt wird, da es einen doch sehr aus der Gefühlswelt der Figuren raus reist und man so zu Beginn des zweiten Teils erst wieder eine Weile braucht, bis man wieder komplett in der Handlung angekommen ist. Dass Jen in der zweiten Hälfte mit ihrem psychischen Zusammenbruch auch das Bühnenbild (von Mareen Biermann) zusammenbrechen lässt, verdeutlicht ihren Schmerz sehr gut. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass man noch einen Schritt hätte weiter gehen können. Denn es fühlte sich für mich als Zuschauer an als würde Jen es entweder schaffen neue Kraft zum Leben zu finden oder sie bringt sich um. Daher hätte ich es gut gefunden, hätte man diesen wenn auch kurzen Selbstmord Gedanken noch stärker mit eingebracht.

Insgesamt ist es eine Meisterleistung von allen Beteiligten auf und hinter der Bühne. Die musikalische Leitung liegt bei Bill Murta, der gemeinsam mit Sigurd Müller und Arndt Hesse für grandiose musikalische Begleitung sorgt. Ich kann jedem nur empfehlen sich dieses Stück anzuschauen und sich mitnehmen zu lassen auf diese gefühlvolle Reise. Ich werde es mir definitiv noch einmal ansehen. In dem Text von Tom Greenwald steckt eine Botschaft, die ich jedem von euch zum Abschluss auf den Weg geben möchte: „Traut euch zu Träumen“

 

Stay Wicked

Eure Pia

Das Copyright aller Bilder in diesem Beitrag liegt bei Bettina Stöss.